CAAD | ARCH
TWiki . Second . KonradWachsmann
Konrad Wachsmann "Wende punkt im Bauen"

Der Baustoff, sein Formen und Fügen und die daraus konzipierte große Bauidee ist nicht mehr Sache und allein abhängig von Talent und Geschicklichkeit des Meisters, sondern wird lange vorher von den Teams der Wissenschaftler und Techniker im industriellen Prozeß entwickelt und vorbestimmt. Es kommt also darauf an, um den entscheidenden Einfluß zu erhalten, die Entwicklung einer Bauaufgabe in den Analysen aller Einzelgebiete fortzusetzen, die in ihrer Rückbezüglichkeit und Komplexität jeder Problemstellung zugrunde liegen. Die Teamarbeit, in der die Aufgaben von allen Seiten zugleich erfaßt und in direkte Beziehung zueinander gebracht werden, wird vielleicht zu einem neuen Instrument schöpferischen Planens. Solche Teams können nicht mit professionellen Interessengemeinschaften verwechselt werden, bei denen es sich um etwas ganz anderes handelt, was mit den hier gestellten Problemen überhaupt nichts zu tun hat. Als Beispiel dafür, wie die Methodik der Teamarbeit als ein wirksames Studieninstrument aufgebaut sein kann, sollen einige Versuche erläutert werden, die ich seit 1951, beginnend am “Institute of Design“ in Chicago, unternommen habe. Die dabei gemachten Erfahrungen waren so vielversprechend, daß diese Methode des Studiums, der Forschung und Entwicklungsarbeit in wiederholten Seminaren auch an anderen Plätzen immer weiter ausgebaut werden konnte. Es handelt sich dabei grundsätzlich um ein System von Teamarbeit, in dem in einer Kombination von Grundkurs, Studien und Forschungen, durch direkte Experimente und daraus folgende Entwicklungsarbeiten an einem gemeinsam gewählten Problem gearbeitet wird. Nach den gemachten Erfahrungen sollte die Teilnehmerzahl eines solchen Seminars auf nicht mehr als 24 und nicht weniger als 18 Mitglieder begrenzt sein, wobei die Idealzahl 21 zu sein scheint, was noch näher erläutert werden soll. Das Team besteht aus Arbeitsgruppen von je drei Teilnehmern, wodurch es möglich ist, daß zum Beispiel innerhalb einer Gruppe ein Teilnehmer Informationen beschaffen kann, ein anderer mit Experimenten in Laboratorien beschäftigt sein mag, also zumindest eine Person die Gruppe aktiv im Team vertritt. Im Wechselspiel zwischen gesuchter Information, den Versuchen im Laboratorium, der kontinuierlichen Fortsetzung der Entwicklungsarbeit am Modell und Reißbrett und den internen Diskussionen untereinander drückt sich das Prinzip der Arbeitstechnik der Einzelgruppe aus. Der allgemeine Arbeitsvorgang des gesamten Teams ist nun folgender: In einer einführenden Diskussion wird ein beliebiges Generalproblem gewählt und die von besonderer Wichtigkeit erscheinenden Einzelprobleme, entsprechend der Anzahl der Teamgruppen und der zur Verfügung stehenden Zeit, festgelegt. Solche Probleme können aus folgenden Kategorien gewählt werden: Material und Produktionsmethode, modulare Koordination, Konstruktion, Fügen und Verbinden, Bauelemente, Komponenten, Installation, Planung, Bewegung und Montage, Wirtschaftlichkeit, Physiologie und Psychologie, Soziologie usw. Um ein Minimum solcher oder auch anderer Haupteinflußgebiete zu erfassen, sollten daher nicht weniger als sieben Möglichkeiten der Wahl zur Verfügung stehen. Welche dieser Probleme nun gewählt werden, ist von relativ sekundärer Bedeutung und wird sich aus der vorausgehenden allgemeinen Diskussion ergeben. Ohne jede Bedeutung ist die Reihenfolge der Themenstellung, denn indem alle Gruppen zur gleichen Zeit anfangen zu arbeiten, wird jedes Problem zu einem Hauptthema. Außerdem beschäftigt sich jede Gruppe zuerst mit ihrem Problem in generellen Untersuchungen ohne direkte Beziehung zu anderen Problemen oder dem anzustrebenden Ziel. Unter der Annahme, daß dieses Team, in sieben Arbeitsgruppen eingeteilt, aus 21 Teilnehmern besteht und dementsprediend sieben Einzelprobleme des Studiums gewählt sind, muß ein Teil der zur Verfügung stehenden Gesamtarbeitszeit in sieben gleiche Arbeitsperioden eingeteilt werden. Diese sieben Arbeitsperioden werden durch sieben Diskussionsperioden voneinander separiert. Jede einzelne dieser Diskussionsperioden wird in sieben gleiche Zeitintervalle eingeteilt, damit zur Diskussion jedes einzelnen Problems die gleiche Zeit zur Verfügung steht. Es hat sich als zweckmäßig erwiesen, daß die Diskussionsperiode die Dauer eines Arbeitstages nicht überschreitet, um jedem Einzelnen die Übersicht, besonders in bezug auf die gegenseitige Beeinflussung und Förderung des individuellen Problems und des Generalthemas zu erhalten. Daraus erklärt sich also die Notwendigkeit, eine Höchstgrenze der Problemstellung einzuhalten, die sich bei sieben Einzelproblemen, wenn man eine Stunde für jedes Problem festsetzt, auf sieben Stunden intensiver Diskussion erstreckt und dadurch die Aufnahmefähigkeit schon stark in Anspruch nimmt. Die Dauer der Arbeitszeit kann beliebig gewählt werden. Für ein sechswöchiges oder zweimonatiges Seminar sind mit einer zweitägigen Arbeitszeit gute Erfahrungen gemacht worden, der jedesmal eine eintägige Diskussionsperiode folgt. Die Vorteile einer so konzentrierten, intensiven Tätigkeit liegen besonders darin, daß die Teamteilnehmer fähig sind, die Entwicklung der Arbeit in ihren einzelnen Phasen gut zu überblicken. Steht mehr Zeit zur Verfügung und haben die Teilnehmer schon direkte Erfahrungen in der Teamarbeit gemacht, empfiehlt es sich, die Arbeitsperiode auf vier Tage auszudehnen, was gleichbedeutend mit einem Diskussionstag in jeder Woche ist. Diese Diskussionen sollten aber immer einem Arbeitstag direkt folgen, ebenso wie der erste Arbeitstag der neuen Arbeitsperiode auch der Diskussion direkt folgen sollte. Die Diskussionen finden um einen genügend großen Tisch statt, durch den aber der direkte Kontakt aller Teilnehmer untereinander nicht gestört wird. Jede Gruppe, vertreten durch einen Sprecher, erläutert durch Wort, Zeichnung, Modell oder andere technische Mittel ihre Vorarbeit im Sinne einer Grundkursdebatte. Wenn also zum Beispiel die Gruppe 1 ihre Voruntersuchungen erklärt, ist allen anderen Gelegenheit gegeben, nicht nur spezifische Fragen zu stellen, sondern auch solche ganz genereller Natur, oder auch zusätzliche Vorschläge zu machen. Dann wird nach Ablauf einer Stunde das Resultat der von der Gruppe 1 ausgearbeiteten Untersuchungen mit den neuen Vorschläge, die aus der Diskussion entstanden, der Gruppe 2 zur weiteren Entwicklung in der nächsten Arbeitsperiode übergeben. Dies setzt sich fort, bis alle sieben Einzelprobleme durchgesprochen sind. Auf diese Weise ist jeder einzelne Teamteilnehmer mit jedem Problem in immer gleicher Zeitspanne beschäftigt. Er erlebt darin die Entstehung eines Werkes von sieben ganz verschiedenen Seiten, von der jede einzelne entscheidender Ausgangspunkt einer Entwicklung sein könnte, deren Resultat dem Werk Inhalt und Form gibt. Außerdem lernt er, seinen eigenen Beitrag der allgemeinen Kritik auszusetzen und den natürlichen Widerstand gegen die Möglichkeit zu überwinden, daß seine Arbeit durch die Vorschläge Anderer ersetzt werden kann. Dabei werden erste Einsichten gewonnen und Rückschlüsse gezogen über direkte oder indirekte Beeinflussungen und die reziproken Beziehungen aller Probleme untereinander. Die Aufgabe des Teamleiters während dieser Diskussion beruht darauf, durch Beraten oder Erinnern oder eventuell durch Erläuterung von Fragen die aktive Diskussion der Gruppe nur durch solche passiven Mittel zu unterstützen Aber auf jeden Fall sollte er vermeiden, die Entwicklungsfreiheit und Gedankenrichtung der Teamteilnehmer zu kritisieren oder direkt zu beeinflussen. Die Gruppen arbeiten am besten an vier zusammengeschobenen Reißbrettern, wobei sich auf dem vierten Reißbrett eine große Mappe befindet, in der alle Skizzen und sonstige Daten gesammelt werden, die während der Arbeit entstehen. Die Mappen müssen jederzeit allen Teamteilnehmern zur Einsicht zugänglich sein und erscheinen auch bei den Diskussionen, um immer wieder auf frühere Entwicklungsstadien zurückgehen zu können. Darum sollten auch keine Papierkörbe vorhanden sein, denn jede Skizze, Zeichnung oder Berechnung oder jeder aufgeschriebene Gedanke muß erhalten bleiben, denn eines der wesentlichsten Prinzipien dieser Arbeitstechnik liegt in der später eintretenden Rekonstruktion des gesamten Entwicklungsvorgangs der Seminararbeit. Dazu gehören auch die kleinsten Modellstudien und Ergebnisse von Experimenten. Während der sieben Arbeitsperioden empfiehlt es sich, Experten, entsprechend der sieben gewählten Einzelprobleme, zu zusätzlichen Vorlesungen über ihre Fachgebiete, unabhängig von der gestellten Aufgabe, hinzuzuziehen. Nach sieben Arbeits- und Diskussionsperioden wird nun jedes der Einzelprobleme, in subjektiver Beziehung zu dem gedachten Generalproblem, seine in dieser Zeitspanne zu erreichende Lösung gefunden haben. Damit hat sich dann zugleich auch das Generalproblem in seinen Grundzügen formuliert. An diesem Punkt lösen sich alle Arbeitsgruppen auf und beginnen nun, mit Hilfe der besten verfügbaren, technischen Mittel durch Zeichnungen, Modelle, Texte, Forschungs- und Laboratoriumsberichte, Berechnungen, Produktionsbeschreibungen, Fotografien, Film und wenn möglich durch die Herstellung von Modelldetails in vollem Maßstab, das Resultat der Teamstudie zu demonstrieren. Erst nachdem diese Arbeit vollendet ist, beginnt die Kritik des Teamleiters. Während er sich bei der gesamten Entwicklungsarbeit jedes Werturteils enthalten sollte, gilt es nun, durch eine objektive, sehr eingehende Analyse, Ausgangspunkte und alle Entwicklungsstadien der Arbeit miteinbeziehend, das Ergebnis zu beurteilen, das heißt nicht nur das Endresultat, sondern auch den Weg dazu. Mit Hilfe aller Skizzen, Modelle, Versuche und wenn nötig dem Abhören von Tonbandaufuahmen, die im Verlauf der Diskussion gemacht werden sollten, muß nun versucht werden, durch das Aufzeigen von Gedankengängen, Rückschlüssen, Begründungen von Ideen und Entscheidungen usw. die Notwendigkeit der konstanten Kontrolle logischen Denkens sichtbar zu machen. Zur Unterstützung dieser Kritik ist es gut, wenn nun die sieben Experten ihrerseits das Werk in bezug auf ihr Spezialgebiet kritisieren. Die Kritik des Teamleiters und der Experten kann, wenn sie sich auf sehr breiter Basis aufbaut und auch andere, nicht mit der Aufgabenstellung direkt verknüpfte Probleme berührt, sich sehr leicht auf eine ganze Woche ausdehnen. Aus der Kombination von Grundkursseminaren, über die Studienjahre verteilt, sie beginnend und endend, mehreren Teamseminaren, direkten Experimenten in den Versuchslaboratorien, zeigen sich Möglichkeiten der Veränderung der Methoden des Studiums, die notwendig erscheinen, den sich nun anbietenden Problemstellungen zu entsprechen. Es wäre wohl wichtig zu untersuchen, ob durch solche oder irgendwelche anderen Mittel der Information des Lernenden, Studierenden, Forschenden besser gedient werden kann.

Quelle: Konrad Wachsmann_Wendepunkt im Bauen

Revision r1.1 - 08 Mar 2005 - 17:36 - OskarZieta
Parents: WebHome > HistorischerTeil

This website has been archived and is no longer maintained.