KIRCHEN BAU ALS NETZWERK Pilgerstätten
am St. Jakobsweg |
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Das Territorium mit dem wir uns auseinandersetzen, auf dem wir Architektur planen und realisieren, ist von äusserst komplexer Natur. Wenn wir versuchen, es zu ändern, um es den Bedürfnissen anzupassen, die der Kultur unserer Gesellschaft entspringen, müssen wir die Elemente, aus denen es besteht und die Regeln, welche die Bildungsprozesse physisch bestimmen, erkennen. Um dies zu tun und um uns orientieren zu können müssen interpretatorische Modelle formuliert werden, die implizite Lesearten des Territoriums bilden; richtiggehende Projekte, die man entwickeln und vervollständigen muss. Ein mögliches Leseartmodell des europäischen metropolitanen Territoriums, insbesondere des helvetischen, rückt die Gegenwart von Gruppen, Kategorien und einer Reihe von einander nähergerückten und übereinandergelagerten Elementen in den Vordergrund. Es handelt sich um natürliche und künstliche Elemente, bereits bestehende, vom Menschen erschaffene oder im Laufe der Zeit modifizierte Elemente, deren Unterscheidung mitunter schwierig ist. Diese Elemente sind in Beziehungsnetzwerken eingebunden und mittels Parameter, Eigenschaften und Konstanten identifizierbar. Manchmal sind solche Netzwerke physisch wahrnehmbar, manchmal virtuell. Sie können vollständig und definiert aber auch offen, unvollständig und unbestimmt sein. Diese Netzwerke befinden sich als Palimpsest auf einander überlagerten Ebenen, die sich ineinander verzahnen und sich untereinander verbinden, aber unterschiedliche Identitäten bewahren. Das vorliegende interpretatorische Modell des Territoriums und besonders auch neueste Erkenntnisse aus der Städteforschung haben ergeben, dass die Netzwerke der Transportinfrastruktur, der Autobahnen oder der Eisenbahnlinien, das Netz telematischer oder informativer Kommunikation, die Pole von Siedlung und Genuss, die auf dem Territorium verteilt sind miteinander verbinden. Wenn dem so ist, dass diese modernen Netzwerke kürzlich und in beeindruckender Weise entstanden sind, dann ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass auf dem Territorium auch andere Netzwerke identifizierbar sind, mit Eigenschaften und historischem sowie kulturellem Wert, die unser Territorium charakterisieren und strukturieren. Um der Qualität des physischen Raumes und der urbanen Landschaft willen ist deren Rolle gleich, wenn nicht höher einzustufen, als diejenige der sogenannten virtuellen Netzwerke. Der Weg nach Santiago de Compostela kann als sogenanntes kulturelles Netzwerk interpretiert werden. Der Jakobsweg, im Laufe der Jahrhunderte von Generationen von Pilgern durchlaufen, erstreckt sich über das gesamte europäische Territorium. Es besteht aus Wegabschnitten, die mit religiösen Bauten, Kirchen, Kappellen, aber auch Hospizien und anderen Infrastrukturen, die diese Orte charakterisieren und die sehr unterschiedlicher Natur sein können, bestückt sind. Den Jakobsweg als Netzwerk interpretieren bedeutet für uns einen Leitfaden zu finden, der die Orte miteinander verbindet, in denen Kirchen, Kappellen und Klöster gebaut wurden. Das Netzwerk nimmt so mittels konkreter, physischer Elemente körperhafte Gestalt an, welche die Landschaft verwandeln und charakterisieren: Verbindungselemente wie Wege und Pfade und Bezugspole, Stationen eben. Dieser Weg bildet ein Netzwerk das heisst: Er breitet sich aus ohne präzise Grenzen zu haben. Wenn ein Ziel definierbar ist, das auch hierarchisch einen Anhaltspunkt darstellt, dann besteht der Sinn des Netzwerkes oder des Weges bereits in seiner Existenz und in jedem Teil, der ihn ausmacht, weil er beispielsweise von den Pilgern nur für eine bestimmte Strecke begangen wird und nicht unbedingt ganz. Deshalb besteht der Sinn des Netzwerkes aber auch dank der vollständigen Unabhängigkeit der einzelnen Teile, denn es lassen sich Stationen wegnehmen oder hinzufügen ohne die Bedeutung des Weges zu ändern. Der Jakobsweg ist deshalb auch als wandelbares Projekt zu betrachten, mit dem sich die Möglichkeit eröffnet, gewisse Teile zurückzugewinnen oder neue hinzuzufügen. Sie sind alle ein Beitrag unserer Gesellschaft an die seit Jahrhunderten gewachsene Realität. Gleichzeitig eröffnet sich uns die Möglichkeit, topographisch verschiedene Kontexte zu identifizieren: das Thema der Verstädterung, die unterschiedlichen Varianten der Wahrnehmung und des Zugangs, die es uns ermöglichen, eine fruchtbare Forschung auf dem Gebiet des Kirchenbaus zu betreiben. Arbeitsorganisation Für das Projekt Kirche waren drei Orte vorgeschlagen. An der Luzerner Stadtgrenze, in der Nähe des Renggpasses und auf der Ostspitze des Bürgenbergs. Alle drei Orte sind auf den Jakobsweg ausgerichtet und einander distanzmässig nahe. Die Studierenden wurden in Dreiergruppen eingeteilt, so dass jede Gruppe unter der Leitung eines Assistenten ein mögliches aktuelles Konzept des Jakobswegs erarbeiten konnte. Innerhalb dieses Szenarios wählte jeder einzelne Studierende einen der drei Orte für sich aus, an dem er oder sie das Projekt einer Kirche entwickelte, welches die dem Jakobsweg vom Szenario zugeschriebene Identität reflektiert und gleichzeitig das Thema der architektonischen Kirchentypologie aufgreift. Die Architekturprojekte sollten namentlich auf die Problematik der Erreichbarkeit, der Funktionalität, der strukturellen Bindung und des Materials eingehen. Es sollten volumetrische Programme vorgelegt werden, welche die Haupt- und Nebenfunktionen, die das Szenario jeder Kirche zuteilt, als auch Studien über die Dimensionen und adäquaten Darstellungsformen beinhalten: Pläne und Modelle sollten in detailgetreuem Massstab hergestellt werden.
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Allmend
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Renggpass
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Unter Nas |
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