Kritik der Kritik - eine Podiumsdiskussion
Der AAA des D-ARCH der ETH Zürich veranstaltet am Freitag, 27. Januar 2006 um 17.00 Uhr im Foyer des HIL Gebäudes an der ETH Hönggerberg eine Podiumsdiskussion mit dem Thema: "Kritik der Kritik".
Referenten: Christin Kempf, Architektin | Marius Babias, Kurator | Andreas Ruby, Architekturkritiker
Die Veranstaltung wird kuratiert von Ole W.Fischer, Pia Fricker, Matthias Gasser, Maria Viné, Martina Voser und Georg Vrachliotis. Mit grosszügiger Unterstützung des D-ARCH Vorstehers Andrea Deplazes.
Mark Wigley hat im Bezug auf einen affirmativen Pragmatismus kürzlich gesagt, dass Architektur das Nachdenken
über die Welt sei. Im Zentrum dieser Überlegung steht das Entwerfen als eine intellektuelle Praxis, die vereinfacht mit Erkenntnis oder Findung einer architektonischen Frage, der Entwicklung von verschiedenen Szenarien und einer Entscheidungsfindung durch Auswahl beschrieben werden kann, dem ein Prozess der Ausarbeitung, Auswahl und des ständigen Verwerfens folgt. Doch was sind die Massstäbe dieser Art
“architektonisch” zu denken? Auf welche Weise kommen architektonische Entscheidungen zu Stande, wie sind sie überprüfbar und mitteilbar?
Wir glauben, dass der Kritik eine zentrale Bedeutung in diesem intellektuellen Prozess zukommt, “Kritik” in einer ersten Näherung ganz allgemein als die Kunst der Beurteilung und des In-Frage-Stellens. Diese
Abwägung betrifft aber nicht nur den einzelnen architektonischen Gedanken im Verhältnis zu einem
grösseren Konzept, sondern auch die öffentliche Form der Auseinandersetzung über Architektur, die vom
kollegialen Gespräch über die Rezension in Fachpublikationen bis zur Verbreitung in den Neuen Medien reicht.
Noch eine Stufe weiter Kritik kann auch als eine Form des Zuganges zur Welt verstanden werden, eine
Methode der Wahrheitsfindung durch Ent-Täuschung (der politischen, ökonomischen oder intellektuellen Mächte), was man gemeinhin als das “Kritische Projekt der Aufklärung von Kant bis Habermas” bezeichnet.
Die Fähigkeit des Kritisierens (und auch des Kritik-Verstehens und Kritik-Ertragens) in einer ständig
komplexer werdenden Zivilisation erscheint notwendig, um als Individuum, als Architekt, als Konsument und nicht zuletzt als mündiger Bürger über die Mittel der Urteilsfindung und Differenzierung zu verfügen. Doch die Kritik ist selbst Ziel der Kritik, sie ist in der Defensive: politisch durch die scheinbare Alternativlosigkeit zur westlichen Zivilisation, spätestens seit 1989. Philosophisch wurde die kritische Theorie vor längerem durch postmoderne, pluralistische oder neoliberale Argumentationsmuster und Diskurspraktiken ersetzt.
Und in der Architektur? Im “Reden über Architektur”? – In den Tageszeitungen und Fachmagazinen, auf
Symposien und bei Podiumsdiskussionen herrscht das gleiche Bild: Tendenzen der Ermüdung und
Verflachung, taktisches Schulterklopfen und instrumentelle Vereinnahmung, ein Rückzug auf eine rein
diskriptive Architekturkritik, zu mindest im deutschsprachigen Raum.
Wir vermissen die Kultivierung von Kritik als ein waches Interesse für Neuartiges und substantielle
Inhalte, als das Fragen-Stellen und In-Frage-Stellen, um zu differenzieren, um Massstäbe für eigenes und fremdes Handeln zu erkennen, um zu prüfen und überprüfen, Urteile nachzuvollziehen, und letztlich auch:
Entscheidungen bewusst zu treffen.
Was ist der Gegenstand der Kritik und was ist ihr Ziel bzw. ihr Publikum? Stimmt es, dass jedes Publikum die Kritiker hat, die es verdient? Was bedeutet Kritik heute, im Rahmen der Architektur? Und wie verhält sich die Kritik innerhalb der Disziplin zum grösserer Bezugsfeld von Gesellschaft oder Philosophie?
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