Forschungsstand

Zeitgenössische Einschätzungen

Das Werk Bernoullis ist schon von seinen Zeitgenossen in seiner Bedeutung erkannt worden. 1 Das belegen nicht nur die umfassenden Würdigungen anlässlich des 75. und 80. Geburtstages des Architekten sowie die ausführlichen Nachrufe, 2 sondern auch die steten Dokumentationen seines Schaffens in der zeitgenössischen Fach- presse. Eine Überblicksrecherche im Swiss electronic academic Library Service zeitigte allein in den digitalisierten schweizerischen Architekturzeitschriften 543 Einträge für Hans Bernoulli, die im Zuge der Aufarbeitungdes Werkes ausgewertet werden müssen. Hinzu kommen die Publikationen seiner Arbeiten in ausländischen Zeitschriften, etwa im Zentralblatt der Bauverwaltung, der Berliner Architekturwelt und dem Baumeister. In dem wenige Jahre nach Bernoullis Tod erschienenen vierten und letzten Band ihrer Kunstgeschichte der Schweiz (1962) bezeichneten die Kunsthistoriker Josef Gantner und Adolf Reinle Hans Bernoulli denn auch als die «talentierteste Architektengestalt neben [Karl] Moser». 3 Peter Meyer, die Schweizer Stimme der Architekturkritik, stellte in seiner Rezension des Bandes Bernoulli sogar «noch um einige Stufen höher». 4

Bisherige Übersichten

Umso erstaunlicher ist es, dass die wissenschaftliche Forschung Bernoulli trotz dieser Anerkennung und trotz seiner gegenwärtigen Präsenz bislang nicht angemessen gewürdigt hat. Ein Grund dafür mag die unspektakuläre, wenig ‚fotogene’ Formensprache seiner Bauten sein. Gerade in der Zusammenschau des architektonisch-städtebaulichen Werkes und der Programmatik Bernoullis gewinnt seine Architektur jedoch eine beachtliche, auch für das architektonisch-städtebauliche Schaffen der Gegenwart relevante Qualität. Die Versuche, dies aufzuarbeiten, sind bislang an der unkritischen Verklärung der Person Bernoullis gescheitert, die wohl nicht zuletzt aus der Relegation Bernoullis im Jahre 1938 resultierte und die in den beiden Monographien von Erich Schmid (1974) 5 sowie Karl und Maya Nägelin-Gschwind (1993) 6 und selbst in den insgesamt um Objektivität bemühten Lizentiatsarbeiten von Manfred Jauslin (1980) 7 und Peter Cassani (1988) 8 durchschlägt.

Der Lehrer, Journalist und Nationalrat Werner Schmid hat 1974 die erste Biographie Bernoullis aus historischer Perspektive verfasst. Sie ist im Auftrag der aus dem Freiwirtschaftsbund hervorgegangenen liberalsozialistischen Partei entstanden, deren Ehrenpräsident Bernoulli war, und bietet aus der Sicht des mit Bernoulli befreundeten Politikers eine detailreiche, aber durchweg unkritische Darstellung von Werdegang und freiwirtschaftlichem Engagement Bernoullis. Auf theoretische Fundierung und differenzierte Einordnung der politischen Arbeit verzichtet der Autor. Architektur und Städtebau werden lediglich gestreift.

Die Monografie von Karl und Maya Nägelin-Gschwind

Die 1996 bei Birkhäuser erschienene, grossformatige Monografie Hans Bernoulli. Architekt und Städtebauer scheint da nur auf den ersten Blick Abhilfe zu schaffen. Das Buch wurde von Karl Nägelin-Gschwind, einem Schüler des Architekten, sowie seiner Frau Maya Nägelin-Gschwind verfasst. Es basiert auf dem von Nägelin mitgestalteten Themenheft der Zeitschrift archithese aus dem Jahr 1981, dessen Beiträge in das Buch integriert sind. 9

In jahrelanger, verdienstvoller Recherche hat Nägelin Material zu Leben und Werk Bernoullis zusammengetragen. Das Buch ist eine Fundgrube einzelner Fakten. Deren Systematisierung und historisch-theoretische Bewertung vor dem Hintergrund gegenwärtiger Entwicklungen steht aber aus.

Stand Eingabe 2012

  1. So wurden zum Beispiel schon von Bernoullis Zeitgenossen Auszüge aus seinen Skizzenbüchern veröffentlicht: vgl. Paul Artaria, Hans Schmidt (Hg.), Aus dem Skizzenbuch eines Architekten, Basel: Verlag B. Wepf & Co., 1943; Paul Artaria, Hans Schmidt (Hg.), Skizzenbuch Bernoulli: kleine Ausgabe, Basel: Verlag B. Wepf & Co., 1943; Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, Markus Stegmann (Hg.), Hans Bernoulli – Aus den Skizzenbüchern, Basel-Boston-Berlin: Birkhäuser Verlag, 1996.
  2. Vgl. Friedrich Salzmann (Hg.), Dr. h. c. Hans Bernoulli zum fünfundsiebzigsten Geburtstag am 17. Februar 1951, Bern: Verlagsgenossenschaft Freies Volk, 1951; Paul Artaria, Architekt Dr. h. c. Hans Bernoulli zum 80. Geburtstag am 17. Februar 1956, in: SBZ 74 (1956), H. 6, S. 79-82; etc.
  3. Vgl. Joseph Gantner, Adolf Reinle, Hans Bernoulli, in: Kunstgeschichte der Schweiz, Vierter Band, Die Kunst des 19. Jahrhunderts: Architektur / Malerei / Plastik, Frauenfeld: Verlag von Huber & Co, 1962, S. 68.
  4. Vgl. Peter Meyer, Kunstgeschichte der Schweiz, in: SBZ 80 (1962), H. 7, S. 114.
  5. Werner Schmid, Hans Bernoulli. Städtebauer, Politiker, Weltbürger, Schaffhausen: Verlag Peter Meili &. Co., 1974.
  6. Karl und Maya Nägelin-Gschwind, Hans Bernoulli. Architekt und Städtebauer, Basel-Boston-Berlin: Birkhäuser Verlag, 1993.
  7. Manfred Jauslin, Hans Bernoullis Genossenschaftssiedlung „Im Vogelsang“ und seine Konzepte zum Wohnungs- und Städtebau, Lizentiatsarbeit, Universität Basel, 1980.
  8. Peter Cassani, Hans Bernoulli: Freiwirtschafter, Städteplaner, Wohnungsbauer: eine Untersuchung zu den sozialreformerischen Ideen und Bestrebungen eines kämpferischen Architekten, Lizentiatsarbeit, Universität Zürich, 1988.
  9. Irma Noseda, Martin Steinmann (Hg.), Hans Bernoulli, archithese 11 (1981), H. 6, Verlag Arthur Niggli AG, Niederteufen 1981; Nachdruck des thematischen Teils 1983; darin die Aufsätze:
    • Karl Nägelin, Hans Bernoulli 1876-1959, S. 5-9;
    • Klaus K. Weber, Hans Bernoulli in Berlin (1902-1912), S. 10ff.;
    • Kristiana Hartmann, Hans Bernoulli und die Gartenstadt, S. 21-30;
    • Tobias Kästli, Hans Bernoulli und die Freiland-Freigeldlehre, S. 31f.;
    • Manfred Jauslin, Die Basler Genossenschaftssiedlung im Vogelsang. Baugeschichte, Form und Funktion einer Sozialsiedlung, S. 33-37;
    • Claude Lichtenstein, „Bernoulli-Häuser“, S. 38-41;
    • Karl Nägelin, Werkkatalog Hans Bernoulli, S. 45-53.