Zur Karriere des Dauerhaften.
Hausbiografien wertgeschätzter Wohnungsbauten
aus den Jahren 1900 bis zur Gegenwart
Dauerhaftigkeit
Die Ergebnisse der Archivrecherchen und der Presserecherche, die analysierten Interviews mit den Bewohner und Bewohnerinnen sowie die Rundgänge und die Interviews mit den Eigentümern werden in den Hausbiografien zusammengeführt. Auf diese Weise entstehen dichte historisch zurückgreifende und gleichzeitig um Leitthemen geordnete Portraits der Häuser. Die zentralen Themen der Portraits emergieren jeweils aus dem verdichteten Material. Die narrative Leitidee der Hausbiographien ist demnach nicht chronologisch, sondern versucht eine neue Erzählweise der Räume zu generieren, deren roten Faden die spezifische Ausformulierung der Wertschätzung durch die verschiedenen Nutzergruppen bildet. Mit den so organisierten Porträts wird die Frage nach der Qualität von Wohnen neu über eine lange zeitliche Achse beschreibbar, ohne freilich rein Ereignisse oder Zahlen aufzusummieren. Das Ziel ist es, die unterschiedlichen Erzählungen von Dauerhaftigkeit herauszuschälen, die in den Häusern gespeichert liegen und ihnen bis heute Wert und Prägnanz geben.
Die zentralen Kategorien für Dauerhaftigkeit sind dabei: Der “gebaute Raum” bezeichnet die materiellen und konstruktiven Komponenten eines Hauses. Dazu gehören der Roh- und Ausbau, die Infrastruktur der Anlage wie auch jene der Wohnumgebung. Der “gelebte Raum” bezeichnet den Umgang der Menschen mit dem gebauten Raum: das Umplatzieren von Körpern, das Umbauen, der Gebrauch, die Aneignungsweisen und die Beurteilung des Raumes. Der gebaute Raum ist folglich Teil des gelebten Raums. Eine Hausbiographie sieht zwei Analysedimensionen vor, in welche Indikatoren für Dauerhaftigkeit eingeteilt werden. Sie sind in den sogenannten “Fussabdrücken” der jeweiligen Siedlung sichtbar gemacht.
1. Qualitätskonzept
Unter Qualitätskonzept wird das Konzept des Gebäudes resp. der Siedlung verstanden, so wie es vor der Erstellung von Seiten der Eigentümer gemeinsam mit den Architekten formuliert, und wie es dann materialisiert und umgesetzt wurde. Indikatoren unter Qualitätskonzept sind die Struktur (Raumstruktur, städtebauliche Situation), Materialisierung, Angebot/ Standard.
2. Gebrauchsgeschichte und Wertschätzung
Zu den Indikatoren unter Gebrauchsgeschichte und Wertschätzung aus der Perspektive der Bewohnerschaft zählen geringe Fluktuation, tiefe Leerstandsziffer, Nutzungsveränderungen, soziales Zusammenleben und Aneignungsprozesse.
Bei der Perspektive der Eigentümerin wurden die konstante Wartung und Pflege, stabile Wartungskosten, Unterhalts- bzw. Sanierungsstrategien, eine adäquate Verwaltungsstrategie untersucht. Die Indikatoren, die der Öffentlichen Wahrnehmung zugeordnet werden, sind Preise und Auszeichnungen durch die Fachöffentlichkeit, das Vorhandensein vielfältiger Pressestimmen, eine Vorbildfunktion, der Status einer “Adresse” im Quartier sowie der Einzug ins kulturelle Gedächtnis.
«Es gibt die Geschichten von bemerkens-
werten Familiensitzen, Bahnhöfen, Bankgebäuden, Schlössern. Doch häufig sind
es Baugeschichten, kunstge-schichtliche Analysen und nur
selten Geschichten, in denen die komplexe
Geschichte des Orts den roten Faden abgibt.»
(Karl Schlögel)