Zur Karriere des Dauerhaften.
Hausbiografien wertgeschätzter Wohnungsbauten
aus den Jahren 1900 bis zur Gegenwart
Das Projekt
Mittels der Hausbiografien werden am ETH CASE – Centre for Research on Architecture Society & the Built Environment Qualitätskonzepte anhand unterschiedlich alter Wohnungsbauten verschiedener Bauträger in Zürich auf ihre Langlebigkeit in den Blick genommen.
Was hat sich bewährt? Was ist problematisch?
Wo liegen Kontinuitäten?
Welche Qualitäten werden wahrgenommen – einerseits von den Bewohnerinnen und Bewohnern, andererseits von den Eigentümern und auch von der Öffentlichkeit?
Im Mittelpunkt des Interesses stehen weniger spektakuläre Gebäude. Wir gehen davon aus, dass wertgeschätzte Wohnbauten, die in ihrer jeweiligen Zeit mit unterschiedlich hohem Mitteleinsatz für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen erstellt wurden, neue Aufschlüsse über die Dauerhaftigkeit und die sie konstituierenden Qualitäten von Architektur generell geben können. Daher liegt der Fokus der Arbeit insbesondere auf dauerhaft bestehender Alltagsarchitektur im Wohnbau. Unter Alltagsarchitektur wird hier der anonym rezipierte städtische Hausbestand verstanden. Alltagsarchitektur im Wohnbau ist geprägt von den Anforderungen der Brauchbarkeit über lange Jahre hinweg. Im Wohnungsbau wirken im Gegensatz zu anderer Architektur höchste Beharrungskräfte. Die Verankerung in einer regional tradierten Systematik sowie die Abhängigkeit von der Akzeptanz der Nutzerinnen und Nutzer, die wiederum von Konventionen und Werten geprägt ist, sind stark.
Zwar diente die Alltagsarchitektur immer schon der Inspiration grosser Architekten, doch obwohl inzwischen weit über die Hälfte der Mittel im europäischen Bausektor in Renovierungsmassnahmen investiert werden, gelten Themen wie Erhaltung, Renovation und Erneuerung von Alltagsarchitektur im Verhältnis zu Neubau und Denkmal bei den meisten Architekten als langweilig, kostenintensiv und zeitraubend. Auch bei der Denkmalpflege sind die Schutzbestrebungen für die Alltagsarchitektur noch nicht lange im Gang. Grundlagenwissen über die Langlebigkeit von materiell konstruktiven Komponenten im Bau ist bereits vorhanden. Zum gesellschaftlichen und individuellen Umgang mit dem gebauten Raum fehlen dagegen fundierte Studien. Hier setzen die Hausbiografien an. Was bedingt, dass Wohnungsbauten sich über lange Zeit bewähren? Welche sind alltagstauglich? Es ist wenig darüber bekannt, wie Bewohnerinnen und Bewohner ein Haus im Verlaufe seines Lebenszyklus nutzen und beurteilen und wie die Eigentümer mit lange bestehenden Liegenschaften umgehen. Dies, obwohl bekannt ist, dass der Umgang mit den Gebäuden zu deren Langlebigkeit entscheidend beiträgt. Um Kenntnis davon zu haben, ob Wohnbauten nachhaltig funktionieren, muss man sich vor Ort einen Eindruck verschaffen. Man muss mit den Bewohnerinnen und Bewohnern das Gespräch suchen. Sie wissen am besten Bescheid darüber, ob ein Haus langfristig wohntauglich ist – oder nicht. Ebenso verfügen die Verwaltung und die Hauseigentümerschaft über wichtige Kenntnisse betreffend des Potentials zur Dauerhaftigkeit eines Wohnhauses, denn sie sind die Experten, wenn es um die Unterhaltung und Pflege geht. Sie alle gestalten die Geschichte bzw. Karriere der langlebigen Wohnbauten mit. Ihr Wissen und Handeln ist über die Zeit hinweg in das Haus eingefaltet.
«Es gibt die Geschichten von bemerkens-
werten Familiensitzen, Bahnhöfen, Bankgebäuden, Schlössern. Doch häufig sind
es Baugeschichten, kunstge-schichtliche Analysen und nur
selten Geschichten, in denen die komplexe
Geschichte des Orts den roten Faden abgibt.»
(Karl Schlögel)