Napoli - Quartieri Spagnoli

Students: Anna Flückiger, Michèle Majerus, Caspar Hirzel, Stephan Meyer, Jonas Staehelin
Location: Group work in Napoli
Date: February, 2004
Type: Research project, student work

Die Quartieri Spagnoli stellen ein eigenständiges System mit einer aussergewöhnlich starken physischen Präsenz dar. Nach einem engmaschigen und sturen Raster vor 500 Jahren entstanden, hat es bisher jeder Planung widerstanden.
Obwohl neben der Hauptgeschäftsstrasse Neapels, der Via Toledo, gelegen, hat man in seinen engen Gassen nicht das Gefühl im Zentrum zu sein. Der Grund dafür liegt an seiner Lage am Fusse der starken Topographie des Hügels Vomero. Das Quartier ist eine Sackgasse. Offenheit und Gleichheit des Rasters werden durch begrenzte Durchgängigkeit relativiert. Zwischen einigen durchlässigen und aktivierenden Adern liegen geschlossene Zonen, durch die man nicht durchläuft. Diese sind umso geschlossener, desto mehr sich das Leben auf die Strasse auslagert.
Das Quartier ist ein extrem dicht bewohntes Viertel. Hauptsächlich im Quartier verwurzelte Neapolitaner leben und arbeiten hier. Neben der hohen Wohnfunktion gibt es Handel, Werkstätten und öffentliche Einrichtungen. Soziale Probleme wie hohe Arbeitslosigkeit, niedriger Bildungsstand und Kriminalität gehören dazu.
Auf den ersten Blick erscheint das Quartier so wie sein Raster sehr einheitlich. Unter der Oberfläche aber gibt es Verläufe und Schichtungen. Läuft man durch die engen Gassen, so sieht man zunächst nur das Leben im Basso, das Leben auf der Strasse. Darüber geschichtet hingegen, findet man die unterschiedlichsten Wohnbedingungen und entsprechende soziale Schichten. In ein und demselben Block können gleichzeitig Immigranten, einfache neapolitanische Familien und gut verdienende Bürger in grosszügigen Wohnungen leben.
Die Struktur der Blöcke scheint jede mögliche Lebensform zuzulassen. In den letzten Jahren, seit die Gemeinde Sanierungsmassnahmen im Quartier vorgenommen hat, kommen immer mehr neue Bewohner. Es sind Intellektuelle, Künstler, Studenten und Besserverdienende, welche am Quartier die Nähe zum Zentrum und die Authentizität schätzen und welche die obersten Stockwerke mit ihren riesigen Dachterrassen für sich entdeckt haben. Vom rigiden und gleichförmigen Raster ausgehend, könnte man von einer extrem vielseitigen und anpassungsfähigen Struktur des Quartiers reden. Doch das Quartier neigt zur Verkalkung.
Die Blöcke haben sich von innen heraus extrem gewandelt und differenziert. Mehrere Arten der Vedichtung, wie Unterteilung der Blöcke durch zusätzliche Treppenhäuser und Einziehen von Zwischenböden haben die ursprünglich grosszügige Struktur der Blöcke unterschiedlich stark verdichtet und zum Teil verengt bis zur Verkalkung. So findet man im Quartier die unterschiedlichsten Blöcke. Vom grosszügigen und anpassungsfähigen Palazzo bis zum engen, verbauten und damit verkalkten Block.
Heute findet man zwei gegenläufige, parallele Tendenzen. Zum einen die Tendenz zur Verslumung, die aus dem Innersten des Quartiers wirkt. Es sind soziale Probleme, ein gewisser Grad der Verwahrlosung und Gleichgültigkeit gegenüber dem Quartier, welche sie ausmachen. Auf der anderen Seite gibt es eine Tendenz zur Gentrification, welche von aussen auf das Quartier wirkt. Sie greift an seinen Rändern an, horizontal bei den attraktiven grossräumigen Palazzos an den Grenzen des Viertels und vertikal bei den Wohnungen in den obersten Stockwerken und den Dachgeschosswohnungen.
Strukturelle und soziale Transformationsprozesse finden statt, in welche Richtung und zu welchem Grad sie sich entwickeln ist ungewiss. Um das Quartier aufzuwerten bräuchte es viel Kraft und Energie. Und die fehlen Neapel.

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