Bruno Krucker
Assistenzprofessur für Architektur und Entwurf
The strip and the core

Grundlage des Entwurfskurses bildet ein Verständnis von Architektur als Disziplin innerhalb einer umfassenden Lebenswelt, die von Vielfalt und Widersprüchen geprägt ist. Für die Architektur heisst das, dass sie fähig sein sollte, auf verschiedenste Anforderungen einzugehen und gleichzeitig als eigene Disziplin eine gewisse Autonomie zu bewahren. Eine Architektur, die im Spannungsfeld von äusseren und inneren Anforderungen steht und auf beide zu reagieren vermag, wird von Vielschichtigkeit, Dichte und Komplexität geprägt sein.

Eine solche Architektur entwächst primär aus Bedürfnissen, funktioniert im Alltag und bildet einen dauerhaften, prägenden Teil der Umwelt. Mit diesem Ansatz wird Komplexität zum Merkmal und Kriterium für eine differenziert sich verhaltende Architektur, die als Folge von rational nachvollziehbaren Entscheiden entsteht, - die aber in ihrer Gesamtheit auch Aspekte von individuellen Interessen verkörpert und daraus poetische Aspekte und eigene Charakterzüge entstehen lässt, als genauso unabdingbarer Teil unserer realen Lebenswelt.

Diese Vorbemerkungen versuchen Aspekte einer Haltung zu umschreiben, die als Ausgangslage den Aufgabenstellungen der nächsten Zeit zugrunde liegt. Mit unterschiedlicher Gewichtung werden Annäherungen an diese umfassende Komplexität unternommen, in der Absicht, über die Zeit gewisse methodische Ansätze zu erarbeiten, Mittel und Vorgehensweisen zu erproben, um einer Architektur näher zu kommen, die eben die Vielschichtigkeit des Lebens adäquat zu widerspiegeln vermag. Dazu gehört auch, die Studierenden im Bewusstsein und in der Entwicklung einer eigenen Haltung zu begleiten und zu fördern.

Im Vordergrund dieses Semesters stehen Fragen nach Formen von Öffentlichkeit an Orten, die durch ihre Geschichte und Entwicklung (zu) wenig von städtischen Mustern geprägt sind und mit zunehmender Grösse ein gewisses Defizit an öffentlichen Bereichen aufweisen. Als konkreten Ort der Auseinandersetzung haben wir Wallisellen gewählt, ein Dorf, das aufgrund der Nähe zu Zürich selber zur Grösse einer Stadt angewachsen ist. Mit zur Zeit geplanten neuen öffentlichen Verkehrsmitteln wird in diesem Gebiet eine weitere Entwicklung stattfinden. Wie weit könnten solche infrastrukturellen Veränderungen Potenziale eröffnen zur Veränderung und Verbesserung von öffentlichen Bereichen oder Möglichkeiten schaffen, einem solchen Subzentrum eine neue Identität zu geben? Das Verhältnis der neu zu entwerfenden Gebäude zu ihrem Umfeld - mit unterschiedlichen Nutzungskombinationen - wird ein Hauptthema sein, das uns beschäftigt: Umdeutungen bestehender Merkmale, Schaffung neuer Beziehungen, Setzen neuer Schwerpunkte innerhalb von vorgeprägten Strukturen.

Eine neue Fassung der dörflichen Anlage zum Subzentrum wird sich neben der City, grossen Einkaufszentren und grossmassstäblichen Dienstleistungszonen als Bindeglied mit eigenem Charakter zu etablieren haben: Wallisellen könnte sich mit diesen Entwicklungen als Ort neu sehen und die stattfindenden Veränderungen nicht erleiden, sondern in Richtung Verdichtung und Komplexität zugunsten urbaner Qualitäten nutzbar machen.
Der Massstab des Denkens und der Bearbeitung kann dabei sehr unterschiedlich sein; das Spektrum reicht von einer urbanen Gesamtsicht des Gebietes bis zu lokalen Neufassungen bestehender Gebäude.

Die Annäherung an diese Themen erarbeiten wir mit analytischen Mitteln am konkreten Ort und mit der gleichzeitigen Hinterlegung durch allgemeinere Themen zu dieser Art von Besiedlung, vom amerikanischen Strip zum «Heart of the City» bis zur Thematisierung der Peripherie in den 80er Jahren in der Schweiz und zum «Dirty Realism».

Begleitend werden auch Gäste eingeladen, unter anderen Stephen Bates von Sergison Bates aus London, der neben einem Gastvortrag an einer Zwischenkritik teilnehmen wird.

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