Rückeroberung der Stadt
Während der theoretische Hintergrund im letzten Wintersemester mit unterschiedlichen Positionen wie Venturi, Realismus- und Peripherie-Debatte darauf ausgelegt war, eine neue Sicht von ursprünglich dörflichen Agglomerationsgebieten zu erlangen, werden wir dieses Semester den Ort unserer Arbeit in den Kern der Stadt - quasi in das Territorium Aldo Rossis - verlegen und damit unsere bisherigen städtebaulichen und entwerferischen Aufarbeitungen weiterverfolgen; mit dem Ziel, jüngere Entwicklungen zu verstehen, um daraus das Bewusstsein für eigene, aktuelle Haltungen zu erlangen. In diesem Sinn bildet das Semesterthema die Versuchsanordnung, die Tauglichkeit heutiger entwerferischer Mittel im Kontext der historischen Stadt zu untersuchen.
Die vielfältigen Bedingungen der Innenstadt, wie die historische Entwicklung, vorhandene Wege, Strukturen, Parzellierungen etc. sind Ausgangspunkt eines konkreten Projektes als Katalysator zur Neu-orientierung und Neu-wahrnehmung des Ortes. Ausgewählt haben wir eine eigenartig über/unterdeterminierte Stelle am Rande der mittelalterlichen Stadt. In unmittelbarer Nähe zum Kunsthaus gelegen, könnte diese Gegend im Zuge der geplanten bedeutenden Erweiterung des Kunsthauses mit andereren kulturellen Nutzungen eine Aufwertung erfahren und die aktuelle Sichtweise als Rückseite der Altstadt und der Gerichtsgebäude in Frage stellen.
Auf dieser Basis wird der Entwurf ein ganz konkretes Programm umfassen, das der eher ruhigen Lage mit wenig Passantenverkehr entspricht und dennoch auf Themen des Verhältnisses von Gebäude zu angrenzendem öffentlichem Raum eingeht und eine eher hohe Dichte erreichen soll. Das Verhältnis des neuen Eingriffs zwischen Autonomie und kontextuellen Bezügen wird wesentlich für den Grad der Umdeutung der umliegenden Bereiche.
Zum einen geht es um Nutzungen für das umliegende Quartier, die teilweise heute schon bestehen, einem grösseren Saal und einer Kinderkrippe mit entsprechendem Aussenbereich. Dazu kommt als Hauptnutzung ein relativ hoher Wohnanteil; ein Angebot für Wohnungen in der Altstadt existiert kaum, obwohl es einem grossen Bedürfnis entspricht. Dabei stellt sich die Frage nach der Art des Wohnens an diesem Ort in der Innenstadt, im dichten Gefüge. Sonst unumgängliche Kriterien wie Aussicht und Besonnung können kaum ganz erfüllt werden und müssen mit anderen, in diesem Gebiet vorhandenen oder neu zu sehenden Möglichkeiten ergänzt werden:
Wohnen - Arbeiten, ungewöhnliche Ausrichtungen, andere Formen von Aussenbereichen (Gemeinsame Terrassen, Dachterrassen etc.).
Daraus könnten Wohnformen entstehen, die den Charme und die räumlichen Eigenheiten mittelalterlicher Wohnungen in die Gegenwart tragen und darüber hinaus über ungewohnte Qualitäten verfügen. Für die Strukturierung und den Charakter des Projektes werden diese Vorstellungen prägend sein.
Neben einer Besichtigung des Ortes zur bewussten Wahrnehmung und der Vermittlung des theoretischen Hintergrundes werden wir - begleitet von Gastreferenten - konkrete Projekte erörtern und Querbezüge zur eigenen Arbeit schaffen.
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